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Qualitätsjournalismus in unruhigen Zeiten.

Qualitätsjournalismus in unruhigen Zeiten.

Paris – 2020-03-28

Innerhalb weniger Wochen ist die ganze Welt in einen unvorstellbaren Albtraum gestürzt. In eine globale Epidemie, die zu einer noch nie dagewesenen kollektiven Psychose führt, welche jeden Tag durch Angst zunimmt, die durch die Ungewissheit über die Gegenwart und die Zukunft entsteht. Hervorgerufen durch die Schicksale von Menschen, die krank werden oder leider sterben – sei es, dass sie uns nahe stehen oder auch nicht. Derweil geraten Erinnerungen an Treffen mit Freunden und Familie in immer weitere Ferne. Die Enge potenziert die Angst. Eine Situation, die kein Ende zu haben scheint.

Die Verbreitung des Virus wird durch Forschung, soziales Bewusstsein und sehr strenge Vorbeugungsmaßnahmen eingedämmt. Wir werden das früher oder später bemerken.  Was wir aber auch überwinden müssen, ist die Epidemie dieser Angst, die mit erschreckender Geschwindigkeit Türen und Grenzen überschreitet. Die Überwindung dieser tiefen Angst wird eine beispiellose kollektive Anstrengung erfordern, bei der die Rolle der Medien, der Redakteure und der Journalisten, von wesentlicher Bedeutung sein wird. Nur durch die Bereitstellung von Informationen, die nützlich, wahrheitsgetreu, vollständig, schnell, genau und bürgernah sind, wird es uns gelingen, die Panik in der Gesellschaft einzudämmen. Hin zu einer Normalität.

Der Journalismus ist zweifellos das beste Gegenmittel gegen Desinformation, Schweigen und Lügen, die nur gesellschaftliche Strömungen hervorrufen, welche die Balance zwischen Institutionen und unserer Gesellschaft aus dem Lot bringen. Diese Strömung geht ebenso schnell wie das Coronavirus selbst viral und ist für uns alle in der aktuellen Situation schädlich.

Unter diesen Umständen ist unsere Verantwortung als Redakteure und Journalisten wichtiger denn je. Es ist wahrscheinlich die größte Herausforderung, der wir in den letzten hundert Jahren begegnet sind. Die Bürger aller Länder haben jetzt ein größeres Bedürfnis nach unserer journalistischen Arbeit. Es stimmt, dass wir vor neuen, uns unbekannten Szenarien stehen, aber die Medien haben in der Vergangenheit gezeigt, dass wir auf jede Herausforderung zu reagieren wissen; je komplizierter eine Situation war, desto offensichtlicher war unsere Reaktionsfähigkeit, indem wir unserer Arbeit mit mehr Anstrengung, mehr Sorgfalt, mehr Ernsthaftigkeit und mehr Effizienz nachgegangen sind.

Journalisten und Redakteure sind in erster Linie ein öffentlicher Dienst von primärer Notwendigkeit. Genau wie Ärzte, Krankenschwestern, Hersteller von medizinischer Ausrüstung, Polizisten oder Soldaten stehen wir an vorderster Front dieses gemeinsamen Kampfes. Wir riskieren unsere Gesundheit - getragen von einem Pflichtbewusstsein, das Recht unserer Bürger auf Wahrheitsfindung zu verteidigen. Nur darum darf es uns gehen.

Deshalb waren wir noch nie so relevant. Noch nie war unsere Rolle des sozialen Zusammenhalts, der Verteidigung des demokratischen Systems, der Förderung der Solidarität und des öffentlichen Bewusstseins so evident. Noch nie zuvor war unser Streben hin zu hochwertigstem Jornalismus so groß wie jetzt. Noch nie war unser Einsatz für die Wahrheit so ehrenwert wie jetzt. Es ist eine unentbehrliche soziale und ethische Verpflichtung.

Die überwiegende Mehrheit unserer Medien in der Welt befindet sich nicht in öffentlichem, sondern in privatem Besitz. Wir sind Unternehmen, die sich trotz unserer stark rückläufigen Ressourcen weiterhin unserer sozialen Funktion bewusst sind und wissen, wie wir den Bürgern effektiv dienen können. Wir haben schon früher kritische Situationen durchlebt. Das Internet-Erdbeben und die schreckliche Weltwirtschaftskrise von 2008 haben der freien und demokratischen Presse auf der ganzen Welt einen schweren Schlag und eine beispiellose Herausforderung versetzt. Viele haben in der Folge dessen nicht überleben können. Andere haben einen schwierigen beruflichen und strukturellen Wandel vollzogen, um sich an die Informationsbedürfnisse einer Gesellschaft anzupassen, die sich in ihren Werten, vor allem aber in ihrer Technologie in einem beispiellosen Tempo verändert hat. Es waren sehr schwierige Jahren, die uns vieles abverlangt haben. Nach denen wir aber endlich ein Licht am Ende des Tunnels erblickten.

Plötzlich befinden wir uns auf dieser neuen, beispiellosen Bühne, die mit der Virulenz und Geschwindigkeit eines Blitzes eingeschlagen hat. Und sie stürzt uns erneut in ein perverses Paradoxon: Der Journalismus wird zwar notwendiger denn je, aber gleichzeitig verschwindet innerhalb weniger Tage unsere finanzielle Unterhaltsquelle, und mit ihr unsere Lebensgrundlage zum Überleben. Das Werbevolumen ist so gut wie verschwunden. Der Kauf eines Zeitungexemplars wird immer komplizierter. Der zu unseren Lebzeiten bislang beispiellose globale Wirtschaftsabschwung hat uns auf brutale Art und Weise getroffen.

Gerade jetzt werden wir trotz dieser prekären Lage der Mittel mehr denn je von uns abverlangen müssen, um unseren Verpflichtungen nachzukommen, da wir unter außergewöhnlichen Umständen eine wesentliche Dienstleistung erbringen. Wir können und dürfen unsere Tätigkeit nicht einstellen. Wir können nicht einfach schließen oder ein paar Wochen Ruhepause einlegen, bis das alles vorbei ist, denn das wäre ein Verrat an der Gesellschaft, die uns im Moment so dringend braucht. Wir werden Lösungen für unsere Probleme finden, um diese Brücke zu überqueren, die es uns ermöglicht, das andere Ufer des Flusses zu erreichen, ohne bei dem Versuch zu ertrinken.

Mehr denn je müssen wir alle - die Medienhäuser, die wir vertreten, die Zivilgesellschaft als Ganzes, die Regierungen, die öffentlichen Verwaltungen, die Institutionen – an uns selbst appelieren, diesen Trancezustand zu überwinden und gleichzeitig das Bekenntnis zur Meinungsfreiheit und zum Recht auf Information am Leben zu halten. Die Medien sind unverzichtbar, um in dieser Zeit Gelassenheit und Klarheit in einer verängstigten Gesellschaft zu verkörpern. Und diese Gelassenheit wird durch wahrheitsgemäße, vollständige und genaue Informationen erreicht. Niemand soll jetzt daran zweifeln, dass die Bürger gesunde, unabhängige, zuverlässige und glaubwürdige Medien brauchen.

Wir bringen unsererseits Opfer, Anstrengungen und Verantwortung ein. Trotz der Härte des Augenblicks gehen wir unerschüttert voran. Die Medien sind dank unserer Erfolge und trotz unserer Fehler eine wesentliche Säule des demokratischen Zusammenlebens. Eine Gesellschaft ohne zahlungskräftige Mittel, die zweifellos gerade in solch heiklen Momenten Unterstützung benötigt, wird sich nie frei fühlen können und ihr Zusammenleben wird ernsthaft gefährdet sein. Es geht nicht  um Gewinne oder Gewinn- und Verlustrechnungen. Das spielt jetzt alles keine Rolle. Es geht jetzt darum, am Leben zu bleiben, um unser Engagement zur Unterstützung der Bürger, ihrer Würde, des sozialen Zusammenhalts und des Schutzes der Demokratie fortzusetzen. Wir sprechen davon, dass wir trotz der Umstände weiterhin guten Journalismus betreiben können, dass wir unsere Arbeit fortsetzen können, selbst um den Preis der enormen Opfer, die von uns allen in dieser schrecklichen Zwangslage verlangt werden. Kurz gesagt, es geht darum, dass die Medien ihren unerschütterlichen Einsatz für die Verteidigung der Freiheit und der demokratischen Zukunft unserer Welt fortsetzen können. Das ist nun die Herausforderung.

 

Fernando de Yarza López-Madrazo

Präsident Henneo Mediengruppe, Spanien

Präsident WAN-IFRA, der Weltverband der Zeitungsverleger

 

(übersetzt aus dem Spanischen)

 

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